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Interview mit Lugnoro (31.07.2012)

Lugnoro

Vorhang auf für LUGNORO aus Schweden, die mit ihrem unverkrampft sonnigen Progressive Rock im alten Stil Herzen höherschlagen lassen. Es spricht: Gitarrist Emil.

Erzähl mal von The Earth Machine Band, aus der LUGNORO entstanden sind.

The Earth Machine Band wurde von mir und unserem Ex-Basser Antti Remes gegründet. Wir hatten zuvor gemeinsam in mehreren anderen Bands gespielt und fühlten uns immer stärker zu klassischen Sounds, ungeraden Taktarten und dergleichen hingezogen. Aus dieser Neigung sind quasi LUGNORO hervorgegangen; wir lehnen uns an die Grundpfeiler des Progressive Rock mit allem drum und dran: mehr Keyboards, Virtuosität und Gesang in unserer Muttersprache.

Euer Name bezieht sich allgemein auf etwas Ruhiges und Friedliches, funktioniert aber zugleich auch als Wortspiel und klingt an Fürchterliches an, soweit ich verstehe, wie ihr darauf gekommen seid.

Wie du es beschreibst, ist es schon richtig. Der Name lässt sich sowohl mit „Friede und Ruhe“ als auch mit „stille Furcht“ gleichsetzen. Dies hat den Hintergrund, dass wir uns Frieden und Ruhe in einer mitunter stressigen Welt wünschen. Auf einer anderen Ebene beziehen wir uns auf die zunehmenden psychischen Probleme, mit denen wir in einer vermeintlich robusten, stabilen Gesellschaft hadern.

Der Titel eures Albums drückt aus, dass ihr anderswo sein wollt. Wie sieht euer Traumort aus, und bezieht sich „Förlust” gewissermaßen auf verlorene Unschuld?

Dieser Eskapismus liegt darin begründet, dass wir frustriert davon sind, wie es auf der Welt generell zugeht. Wir suchen nach einem alternativen Universum, in dem wir alle die gleichen Werte teilen, wenn es um das geht, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Im ersten Song geht es um Kindheit …

“Barndomen“ bezieht sich auf einen Ort, an dem du dich früher einmal wohlgefühlt hast und unbescholten warst vom politischen Geschiebe der Erwachsenen.

“Själ likt” bedeutet etwas in der Art von “gleichgesinnt”, aber „Själalik“ klingt nach Nonsens.

Ich habe das Wort erfunden. Es drückt Verbundenheit mit der eigenen Seele aus, echte Selbsterkenntnis.

“Alfons” muss ein heiterer Geselle sein, wenn man sich die Stimmung des Songs vergegenwärtigt.

Dabei handelt es sich um ein Coverstück, das im Original aus der Feder des schwedischen Jazz-Bassisten Georg Riedel stammt. Der Titel geht auf eine sehr beliebte Reihe von Kinderbüchern und –Sendungen zurück, an der wir uns früher erfreuten. Der Musik haben wir einen eigenen Anstrich verpasst, wie ich finde.

“I Gamla Spår” trägt das “alt” wieder im Titel; was ist so unheimlich interessant an der Vergangenheit?

Wir sind keine alten Säcke, die meinen, früher sei alles besser gewesen, im Gegenteil: Wir gehören zu einer jungen Generation. Obwohl vieles früher einen Tick entspannter ablief und der Gesundheit der menschlichen Psyche entgegenkam, zumal noch nicht alles kommerzialisiert war, leben wir im Hier und jetzt.

“Familjen”: Angesichts der Musik sollte man meinen, euer Blut sei tief rot … Deep Purple eben.

Inhaltlich ist es ein politisches Statement zur Lebenssituation des modernen Menschen im reichen Westen, wo Familie und Freundeskreis zunehmend zweitrangig werden, weil man „erfolgreich“ sein will oder muss.

“Illvilja” ist dann wohl eine pure Hippie-Hymne mit ähnlicher Thematik, oder?

Mehr oder weniger schon. Es geht um Leute mit einer beschissenen Einstellung bezüglich dessen, was wir aus unserem Leben machen sollen. Wir sprechen diese Typen auch konkret an.

“Sagan Om Skönt” spricht hingegen das Schöne an sich an. Habt ihr etwas Konkretes im Sinn?

Wir meinen das Innere des Menschen. Jeder von uns verfolgt in seinem Sinnen das gleiche Ziel – mit sich selbst und der Welt ins Reine zu kommen.

Was hat es mit eurem Label Ozium Records auf sich?

Es handelt sich um eine kleine Firma, die quasi im Geiste vonTransubstans entstand. Mats, der Inhaber, arbeitete zuvor dort und hob schließlich etwas Eigenes aus der Taufe. Er konzentriert sich auf Stoner, Progressive, Seventies Rock und so weiter. Wir sind die erste Band gewesen, die dort veröffentlicht hat, und bislang immer noch nur eine von drei, wenn mich nicht alles täuscht.

Wie erklärt ihr euch, dass in Skandinavien eine so große “Retro”-Szene existiert?

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Generell sind die Leute aber einfach genervt von dem, was der Radio- und Fernseh-Mainstream während der letzten Jahre abgesondert hat.
Vergleicht man dieses Zeug mit den Sachen aus den Siebzigern, wird klar, dass Musikfreunde quasi die Archive stürmen und alte Bands neu entdecken.

Spielt ihr oft live?

So oft wir können. Leider sind die Auftrittsmöglichkeiten für Prog-Bands arg beschränkt, ganz zu schweigen von der Vergütung, was es schwierig macht, ohne finanziellen Support zu reisen, Transportkosten zu zahlen und so weiter. Eine ein- oder zweiwöchige Tournee wäre uns lieb, aber momentan haben wir keine Beziehungen, die uns beim Planen helfen könnten. Dabei wäre uns gleich, mit welchen anderen Bands wir spielen, Hauptsache die Chemie stimmt.

Andreas Schiffmann (Info)
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